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Der Stier wird zum Ochsen,  die Ochsenschwanzsuppe zur Oxtail Suppe

von Susanne Vögeli

Ein Mittagessen, zubereitet aus dem gekauften Pulver, war ein sicheres Zeichen für eine Pause im Fortlauf der häuslichen Tugenden.

0,2 g Ochsenschwanzfleisch in 2,5 dl Suppe bekennt das Kleingedruckte auf dem Beutel. Dem Versprechen auf der Packung, dass aus dem Beutel in fünf Minuten eine Suppenmahlzeit entsteht, will ich nach vielen Jahren wieder folgen. Im Quartierladen steht das Gesuchte nicht im Regal. Vielleicht sind der Suppe inzwischen die vorderen Ränge abhanden gekommen? Ich finde das Gesuchte  im Grossverteiler. Als ich den Beutel öffne, entströmt ihm das nicht erwartete Aroma von Tomate. Streuwürzedunst steigt mir wie Niespulver in die Nase. Ich giesse kaltes Wasser in die Pfanne und rühre das beige Pulver mit dem Schwingbesen dazu. Nach 5 Minuten kochen glänzt die Suppe und ist leicht gebunden. Ich habe jetzt eine ebenmässig glänzende, braune Oxtailsuppe vor mir. Das auf dem Beutel versprochene Geschmackserlebnis kann ich jedoch nicht ausfindig machen. Wässrig, einsilbig ist der Geschmack. Streuwürze und Tomate, Wasser und Stärke verdrängen die erwarteten Aromen.

Die Täuschung aus dem Beute liess ich mir gerne gefallen.

 

Die originale Ochsenschwanzsuppe – nachgekocht aus dem Fülscher.

Die 20 verschiedenen Zutaten im Beutel „Oxtail Suppe“ sind ein Versuch, die würzige Fülle der ursprünglichen Fleischsuppe nachzubauen. Ich kenne den Geschmack der echten Ochsenschwanzsuppe und kann diesen Maßstab nicht beiseite lassen. Nach dem Originalrezept wird ein Kilogramm Ochsenschwanz während gut drei Stunden geschmort. Der füllige Geschmack entsteht während dieser langen Garzeit. Der Stoff, der für dieses Geheimnis zuständig ist, heisst Glutaminsäure und ist das Produkt der Aufspaltung der Fleischproteine, die während dem Schmorprozess von Fleisch gebildete werden.

Der gesuchte Geschmack heisst Umami, es ist eine der fünf Geschmacksrichtungen, die wir beim Essen mit unseren Geschmacksrezeptoren wahrnehmen können. Dieser Stoff (Glutaminsäure) vermag so zielsicher unsern Appetit auf Fleisch zu treffen, so dass wir dem Duft aus der Fleischpfanne „himmlisch!„ zurufen.

Wir empfinden Freude und Beruhigung durch den Geschmack von gebratenem und geschmortem Fleisch. Diese sensorische Wahrnehmung von Proteinen wurde von der Evolution selektioniert, weil sie für uns einen Überlebenswert besitzt. „Eiweiss vorhanden – ich lebe und überlebe“ frohlockt es in uns.

Der Umamigsschmack ist das Geheimnis für die Beliebtheit von Schmorgerichten, Eintöpfen und Suppen. Mit der Beigabe von Tomaten, Pilze oder Parmesan kann der Umamigeschmack intensiviert werden. Deshalb kommen diese drei Lebensmittel in vielen Rezepten wie Gewürze dazu und wirken wie eine Prise Glutamat aus der Streuwürze.

Die Beutelaufschrift „Oxtail Suppe“ entstand aus dem Rezeptenamen „Ochsenschwanz Suppe“. Will die englische Übersetzung die animalische Hauptzutat dieses Rezeptes, den Ochsenschwanz, salonfähig machen?

Von einem Teller Suppe vom Beutel blieb in meiner Erinnerung die freudige Signalwirkung für einen Tag, der nicht sein würde wie alle andern: Keine Zeit in der Küche für eine richtig zubereitete Mahlzeit, denn die Abreise in die Ferien stand bevor oder die Eltern waren abwesend. Es bleibt auch die Erinnerung an die samtige braune Farbe eines Ochsenfelles und das wonnige Empfinden der Wärme eines Stalles im Bauch. Das Geschmacksereignis der fleischigen Ochsenschwanzsuppe sollte für spätere Entdeckungen in meiner kulinarischen Welt aufgespart werden. Da ich diesen befriedigenden Suppengeschmack noch nicht kannte, konnte ich ihn auch nicht vermissen. Die Täuschung aus dem Suppenbeutel liess ich mir gerne gefallen.

 

Zutaten der Beutel Suppe: Kartoffelstärke, Aroma, Tomatenpulver, Palmöl, Zwiebelpulver, Hefeextrakt, jodiertes Speisesalz, Fruktose, Gerstenmalzextrakt, Gemüsesaftkonzentrate, Zucker, Randenpulver, Gewürze, Kräuter.

1,2% Ochsenschwanzfleisch von 74g = 0,888 g Ochsenschwanzfleisch für = 4 Portionen