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von Gaby Schelbert
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Mein Vater ging 1953 für zehn Jahre nach Kolumbien und arbeitete dort an verschiedenen Orten. Auf einem Heimaturlaub heiratete er meine Mutter und nahm sie mit, zusammen mit dem Fülscher-Kochbuch, welches sie zur Hochzeit geschenkt bekommen hatte.

Meine Mutter war im südamerikanischen Haushalt zu jener Zeit auf ihre Kreativität angewiesen und musste oft improvisieren. Einen Supermarkt gab es nicht. Eingekauft wurde auf dem Markt, welcher in keiner Art und Weise unseren heutigen Vorstellungen von einem Markt entsprach. Der «Metzger» hatte ein ganzes Schwein hinter zwei Brettern, welche als Ladentisch dienten, aufgehängt. Die Kundin zeigte ihm, welches Stück sie haben wollte. Er zückte sein langes Messer, verscheuchte die Fliegen und sägte dieses Stück aus dem Tier heraus.

Meine Mutter war von meinem Vater über diese «Marktsitten» informiert worden und verbrachte vor der Abreise ein paar Stunden bei einem Metzger in Dietikon, um sich das nötigste Wissen beizubringen. Sie wollte vor allem lernen, worauf beim heraus schneiden zu achten ist.

Mein Vater, der gut zeichnen konnte, vergrösserte die drei Tiere aus dem Fülscher-Kochbuch auf Packpapier: Das Rind (S. 220 im neuen Kochbuch), das Kalb (S. 238) und das Schwein (S. 259).

Mit diesen Plakaten marschierte dann meine Mutter auf den Markt und zeigte dem Metzger, welches Stück sie haben wollte und wie er das heraus zu schneiden hatte. Es war nicht immer ganz einfach, da ihre Spanischkenntnisse erst noch verfeinert werden mussten.

Am Einfachsten sei es mit Geflügel gewesen. Da im Haushalt meiner Eltern die gute Fee Josefina lebte, konnte man ihr den Auftrag geben, ein hübsches Huhn nach Hause zu bringen. Sie organisierte immer ein lebendes und drehte diesem hinter dem Haus den Hals um. Meine Mutter konnte das nicht mit ansehen und überliess das Ausnehmen Josefina. Sie achtete aber darauf, dass es genau so gemacht wurde, wie Frau Fülscher S. 280 / 281 beschreibt. Das Kochen des Tieres hat dann wiederum meine Mutter übernommen.

Mein Vater war nie so ganz begeistert über die eher zähen Tiere. Er träumte von einem zarten Entrecote mit Kräuterbutter und war dann jeweils ganz begeistert, wenn es halbwegs gelang. Musste er geschäftlich in die Hauptstadt Bogota brachte er immer, schön in Eis verpackt, perfekt geschnittene, abgepackte Fleischstücke mit nach Hause. Dort kannte er einen Deutschen Metzger, der ausgewandert war und eine Metzgerei führte