< Zur Übersicht

Kocht man zum ersten Mal mit einem bestimmten Menschen, kommen plötzlich neue Fragen auf. Bisher ganz Alltägliches, wie zum Beispiel die perfekte Dicke eines Zucchini-Röllchens, muss diskutiert und ausgehandelt werden und erhält dabei schon fast eine universelle Bedeutung.

Tomate

Schon als ich am frühen Morgen aufgewacht bin, habe ich mich auf den Abend gefreut. Bei einem Kaffee in der Morgensonne, mit einer luftigen Süsse von Vorfreude überzogen, haben wir hin und her diskutiert, was wir denn nun genau kochen könnten. Wir haben Listen erstellt, Zutaten wieder abgeändert, das Dessert umentschieden. Ich muss gestehen, dass unsere anfänglich geplanten fünf Gerichte dabei auf drei Gänge zusammenschrumpften. Aber trotzdem – das erste gemeinsame Kochen mit einer neuen Liebe ist etwas Besonderes. Auch sonst ist mir das Kochen manchmal fast lieber als das abschliessende Essen: Es wird geschnitten, probiert, gebraten und gebacken, und die Gespräche, die dabei entstehen, scheinen immer von den Düften und Farben des Essens beeinflusst, sind von einem bunten Optimismus durchzogen. Wie der Ghostwriter in seinem Artikel schreibt, kochen nur 30 % der Paare gemeinsam.

Verliebt sein und zusammen kochen sind für mich fast schon ein perfektes Doppel, denn das gemeinsame Schaffen eines Gerichts ist nicht bloss ein angenehmer Zeitvertrieb, vielmehr kann man dabei gemeinsam Ideen und Wünsche verwirklichen und danach das eben sorgfältig Kreierte geniessen.

Doch der Abend zeigt: Ist man verliebt, wird das gemeinsame Kochen plötzlich schwierig. Wir haben keine einheitliche Vorstellung vom Gericht, sondern bringen vielmehr unsere individuellen Erfahrungen mit, die wir nun irgendwie zusammenzufügen versuchen. Nichts mehr ist selbstverständlich: «Schneidest Du noch die Zucchetti?» – «Ja sicher! Aber wie dick hättest Du sie denn gerne?» – Bis anhin habe ich mir nie überlegt, wie dick ein Zucchini-Stück sein sollte. Doch nun nehme ich die kleine, frische Zucchini in die Hand und schneide ein Stückchen davon ab. «Etwa so gross, findest du das in Ordnung?». «Ja sicher», entgegnet mir Manuel, auch wenn er findet, dass grössere Stücke besser schmecken. Ich blicke ihn an und meine, dass er sie auch grösser schneiden könne, aber er entgegnet, dass das so schon in Ordnung sei.

Wir stehen also in der etwas engen Küche, Schulter an Schulter, vor unseren Schneidbrettchen. Neben uns türmt sich in einer Schale das Gemüse für unser Ragout. Wir schneiden beide. Das Gemüse wird zu einem farbenfrohen Berg, der nach frühem Sommer duftet. Wir sprechen nur wenig und wundern uns insgeheim, wie jeder alleine das Gemüse wohl geschnitten hätte.

Fragen umgeben uns: Zupfst oder schneidest du den Oregano? Welches Öl nimmst du zum Braten? Der Farbenberg wächst, und ich muss feststellen: Das gemeinsame Kochen verliert immer mehr an Gemeinsamkeit, denn ich versuche zu bestimmen, argumentiere, warum ich Olivenöl nehme, und weshalb ich so viel Knoblauch verwenden möchte. Aber schliesslich schmort das Gemüse, endlich! Es duftet aus der Pfanne nach Sommer und Süden, und wir wenden uns dem Fisch zu. Wieder beginnen neue Diskussionen. Doch beim Fisch setzt Manuel seine Ansichten selbstsicherer durch, und uns wird plötzlich bewusst, wie sehr gemeinsames Kochen von vielen kleinen Kompromissen geprägt ist. Gerade da es dabei um den persönlichen Geschmack geht, sind diese beim ersten Kochen manchmal schwierig einzugehen. Sicherlich, es kann einem lächerlich vorkommen, über Schneidetechniken und perfekte Grössen von Zucchini- und Peperonistückchen zu diskutieren, aber wiederum prägen genau diese vielen kleinen Einzelheiten unseren individuellen Kochstil.

Während wir nach dem Kochen auf dem Balkon sitzen und ich in der Abenddämmerung in ein Zucchinistück mit Oreganoduft beisse, gebe ich zu: Das Essen des ersten gemeinsam Gekochten ist zu zweit sicher doppelt so schön.

Auch wenn es in Zukunft nicht immer bloss um das perfekte Zucchinistück gehen wird, so steht dieses zumindest an unserem gemeinsamen Anfang.


Valerie-Katharina Meyer (1988) studiert an der Universität Zürich Germanistik und Geschichte, arbeitet daneben als Texterin und schreibt für verschiedene literarische und kulturelle Zeitschriften. Am liebsten aber kocht sie sich durch den Alltag, spielt mit Wörtern und lebt von Träumen.