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Küchenbericht Hackbeefsteak von Susanne Vögeli

Ein begehrtes Mittagessen aus meiner Kindheit waren Hacktätschli mit Bratensauce, dazu gab es Salzkartoffeln. Meine Mutter war Köchin, für die Familie kochte sie nach dem Kochbuch von Elisabeth Fülscher.

Wir haben uns heute mit der Kochanleitung Nr. 694 «Hackbeefsteaks/Frikadellen und sog. Hamburger» aus den 50er Jahren auseinandergesetzt. Aus den praktischen Erfahrungen am Herd und den Überlegungen zu den Kochprozessen haben wir das Hackfleischrezept neu geschrieben. Die «Polpette al Pomodoro» lehnen sich an den italienischen Klassiker an und sind keine Neuerfindung. Die Italienische Küche kochen, essen und komentieren wir heute ganz selbstverständlich, und sie ist uns oft vertrauter und bekömmlicher als unsere Alpenkost.

Zur Entstehung des bekanntesten Rezeptes mit Hackfleisch sind unterschiedliche Geschichten nachzulesen. Ist es die Stadt Hamburg mit ihren Imbissbuden, wo die Frikadellen oder Bratenstücke zwischen zwei Brote geklemmt den eiligen Passanten in die Hand gedrückt wurden, oder ist der ham/Schinken mit im Spiel in diesem Rezept? Der Burger wurde zum Symbol für die heutigen Essgewohnheiten: Zwischen zwei Terminen verzehren wir die Mahlzeit aus der Hand.

Hackfleisch

Für das Hackfleisch, welches wir abgepackt beim Grossverteiler kaufen oder aus der Schale von der Theke der Metzgerei bestellen, kann irgend ein Muskelstück vom Rind verwendet worden sein. Dies können Abschnitte von Schmorstücken oder Reststücke von Edelstücken sein. Für die Polpette möchten wir Fleischstücke, die einen Anteil Bindegewebe und etwas Fett (10-15 %) enthalten. Durch den Fleischwolf gedreht werden sie zu Hackfleisch zerkleinert. Lässt man ein bestimmtes Stück Fleisch in der Metzgerei frisch hacken, ist zu beachten, dass im grossen Fleischwolf ca. 150 g Fleisch in der Maschine zurückbleibt. Nur Bestellungen von 500 g Hackfleisch und mehr sind sinnvoll. Es werden jedoch auch gerne kleinere Hackfleischwünsche erfüllt, meint unser Metzgereifachmann.

Wer etwas mehr Aufwand in Kauf nehmen will, nimmt den Fleischwolf in der eigenen Küche in Betrieb und treibt am Schluss das Brot durch den Wolf, um keine Fleischreste in der Maschine zurückzulassen. Der Rindsschenkel ist das ideale Stück für die Polpette, denn auch kollagenes Eiweiss vom Bindegewebe ist in diesen Muskeln vorhanden. Wichtig ist, dass die Hackfleischmasse vor dem Formen kalt ist und von Hand gut durchgeknetet wird. Die Bindung wird fühlbar, vergleichbar mit der Elastizität eines Brotteiges. Das Kneten muss jedoch in kurzer Zeit von statten gehen, denn ein Temperaturanstieg bewirkt das Gegenteil, nämlich eine Verminderung der Bindung in der Fleischmasse.

Hackfleisch soll tagesfrisch verarbeitet werden. Vakuumieren und Tiefkühlen wirken sich auf die Qualität nicht gut aus, da eiweisshaltiger Fleischsaft verloren geht. Die natürlich vorhandenen Milchsäurebakterien haben im zerkleinerten Fleisch eine sehr grosse Angriffsfläche auf den Saft im Fleisch. Diese Mikroorganismen können sich im Hackfleisch, vor allem wenn es feucht ist, rasant vermehren, was zur Folge hat, dass das Fleisch sauer wird.

Hackfleisch von mageren, oft teureren Stücken ergeben trockene und brüchige Polpette.  Ein Hackbeefsteak aus Edelfleisch müsste, um dem Stück gerecht zu werden, auf den Punkt gegart und mit 60°C Kerntemperatur serviert werden. Soll jedoch ein Filet nicht besser ein Filet bleiben? Trotz seines Status „Edel“ ist ein Filet in der Kultur der Hackfleischgerichte keine Bereicherung. Ausgenommen das roh servierte Beefsteak Tartar. Wir hinterfragen den Trend der versucht, Edelstücke mit der Cucina Povera nobel zu machen.
Hackfleisch ist eine gute Möglichkeit, um möglichst alles Muskelfleisch vom Tier in der Küche zu verwerten. Mit Kosten von Fr. 25.00 pro Kilogramm Rindfleisch mit Bio Label kann eine Mahlzeit für 8 -10 Personen zubereitet werden. Viele Kulturen kennen eine Vielzahl von populären Gerichten mit Hackfleisch: Ghackets mit Hörnli, Mousakka, Meat Balls, Boulettes, Cevapcici, Koefte, Hamburger, Salsa Bolognese …

Brot

Nach deutschem Lebensmittelrecht darf der weltweit berühmteste Fleischimbiss, der Hamburger, nur grob entsehntes Rindfleisch und Gewürze enthalten.

Ist die Beigabe von altem Brot eine Sparmassname oder ein kulinarischer Volltreffer? Hacktätschli, Polpette, Frikadellen, Koefte, Hackbraten: Sie alle enthalten Brot oder Bulgur, die Weizengrütze. Das Brot oder Getreide im richtigen Mass (ca. 10%) macht die Hackfleischspeisen weicher und aromatischer. Dafür sorgt die Bindefähigkeit der Kohlenhydrate und ihre Eigenschaft, die aromatischen Säfte aufzusaugen. Uns gefällt auch, dass wir für das Brot von vorgestern eine gute Verwendung haben.

Temperatur

Wir haben im klassischen Rezept ein paar Arbeitsschritte in Frage gestellt. Ist es sinnvoll, Zwiebeln, Kräuter und Brot anzudünsten, wenn die Polpette später während 20 Minuten mit den Tomatenwürfeln gegart werden? Brauchen wir Ei und Mehl für die Bindung?

Beide Schritte stehen in einem kochtechnischen Zusammenhang. Gelingt es mir, alle Zutaten kalt zu verarbeiten, kann ich auf die Bindefähigkeit der Proteine im Fleisch zählen und Ei und Mehl erübrigt sich. Damit die Hackfleischmasse ohne Hin und Her von Erhitzen und auskühlen kalt bleibt, verzichten wir auf das Andünsten der Zutaten vor dem Mischen mit dem gehackten Fleisch.

Sauce

An Stelle von Bratfett, Mehl oder Saucenwürfel wie im Rezept von E. Fülscher verwenden wir im September die vollreifen San Marzano Tomaten aus Apulien. Die als ‹Pelati› – geschälte Tomate – bekannte Tomate ist dann tief rot und eher süsslich. Für 3-5 frische Pelati benutzen wir gerne auch den Sparschäler, um die zähe Tomatenhaut der San Marzano Tomaten schnell zu entfernen. Die Sauce im Polpetterezept entsteht mit den beigefügten Tomatenwürfelchen nebenbei. Der fruchtige Tomatensaft verbindet sich während den 15 Minuten gemeinsamer Schmorzeit in der Bratpfanne vorzüglich mit dem Fleischsaft. Der geriebene Parmesankäse soll sich in der Sauce mehr als Gewürz einbinden und soll deshalb zurückhaltend verwendet werden.

Fülscher Nr. 1720 Tomaten einmachen