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Küchenbericht von Susanne Vögeli

Es war einmal… dass durch Spontanvergärung aus Milch erfrischende Sauermilch entstehen konnte. In einer Tasse Milch, die in der warmen Küche stehen gelassen wurde, machten sich ein gutes Dutzend verschiedener Mikroben ans Werk. Milchsäurebakterien entwickeln ein Enzym das Milchzucker in Milchsäure verwandeln kann. Bei dieser Aktivität sinkt der pH-Wert in der Milch von 7 auf ca. 4,5. Das Milcheiweiss Casein gerinnt und die Milch wird dickflüssig. Fettkügelchen und Wasser sind im entstandenen Eiweissgerüst eingebunden. In der Schale befindet sich jetzt schneeweisse, frisch schmeckende und wohlriechende Sauermilch.

Vergessen wir heute ein Gefäss mit Milch in den Kühlschrank zu stellen so wird die Milch ungeniessbar. Unter dem Einfluss der Hygienestandards ist die erwünschte Flora von Milchsäurebakterien nicht mehr selbstverständlich in der Milch und in der Küche präsent. Unerwünschte, verderbend wirkende Bakterien haben deshalb gute Chancen schneller zu sein als die säurebildenden Milchsäurebakterien. Anstelle von saurer Milch mit erfrischendem Geschmack haben wir eine bittere, käsig riechende und geronne Milch vor uns.

Die Einschränkung der Vielfalt an Mikroorganismen hat einen Einfluss auf den Geschmack und die Konsistenz von vielen Nahrungsmitteln. Die meisten aromabildenden Reifungsprozesse werden von Mikroorganismen ausgelöst und sind Fermentationsprozesse. Unser Geschmacksinn wird mit den genormten Lebensmitteln nicht mehr verwöhnt. Die gültigen Standards wurden für die Massenproduktion in der Lebensmittelindustrie notwendig und sind unter diesen Umständen teils für die Oekonomie, teils zum Schutze der Gesundheit geschaffen. Grund genug, um für das Training eines vielseitigen Geschmacksinnes einiges wieder selber in die Hand und in die Küche zu nehmen.

Die Joghurtherstellung:

Für unseren Joghurt erhitzen wir einen Liter nicht pasteurisierte oder pasteurisierte Vollmilch in einer Pfanne auf 90 °C. Erfolgt das Aufheizen allzu schnell, so flockt Eiweiss aus und der Joghurt wird dadurch etwas körnig.

Wir kühlen die Milch auf 35 °C ab, mischen 2 Esslöffel frischen Joghurt dazu und füllen die Joghurtmilch in passende Behältnisse aus Glas oder Kunststoff ab. Weil die Milchsäurebakterien-Flora in frischem Joghurt fitter ist als in Joghurt mit abglaufenem Verbrauchsdatum ist darauf acht zu geben.

Wir können aus dem Angebot an Nature-Joghurtsorten unter verschiedenen Bakterienkulturen wählen:

  • Bulgarisches Joghurt Lactobacillus delbrueckii ssp bulgaricus und Streptococcus thermophilus, für einen milchsäurearmen und cremigen Joghurt (normaler Joghurt)
  • Bifidus Joghurt, Bifidobacterium bifidum für einen sehr milden, milchsäurearmen Joghurt.

Die Joghurtbakterien welche wir der Milch beigefügen, entwickeln sich bei 42 – 45 °C am schnellsten. Die dabei gebildete Milchsäure senkt den PH-Wert in der Milch innerhalb 3-4 Stunden von 7 auf ca. 4,5. Das Casein gerinnt und die Milch wird zu Joghurt. Die erwünschte Temperatur von 42 – 45 °C erhalten wir im Backofen bei eingeschalteter Backofenbeleuchtung ohne Temperatureinstellung. Ist der Joghurt nach 3-4 Stunden fest, so muss er kühl gestellt werden, weil er sonst zu sauer wird und gerinnt.

Wissenswertes:
Da der Milchzucker im Joghurt weitgehend abgebaut ist, wird Joghurt von Laktose-Empfindlichen gut vertragen. Magermilchpulver wird oft für die Stichfestigkeit dem Joghurt beigegeben und muss nicht deklariert werden. Diese Beigabe erhöht den Laktose- und den Eiweissgehalt wieder.

Joghurt ist weltweit das beliebteste fermentierte Milchprodukt und ist dazu am schnellsten konsumierbar. Im Gegensatz zu Käse, der Monate bis zur Reife in Anspruch nimmt.

Die Joghurtkultur ist bei uns erst seit 1950/60 beliebt geworden. Im Fülscher Kochbuch sind Rezepte mit Joghurt und die Herstellung von Joghurt ab der 7. Auflage seit 1960 vorhanden.  Der gesundheitliche Aspekt von Joghurt wurde in der Schweiz erst in den 50er Jahren populär. Das moderne Milchprodukt wurde in vielen Haushalten selber hergestellt. Joghurt galt als Wundermittel für ein langes gesundes Leben. Tatsächlich können die Mikroorganismen von allen Joghurtarten in lebensfähiger Form den Darmtrakt erreichen, die Darmflora fit halten und die Stoffwechselaktivität positiv beeinflussen.

Laut Lebensmittelverordnung Artikel 56, müssen mindestens 10 Millionen kolonienbildende Einheiten der Mikroorganismen je Gramm Joghurt vorhanden sein.

Es gibt eine Vielzahl von Sauermilchprodukten, die meisten haben ihren Ursprung in Westasien, Osteuropa und in Skandinavien. Joghurt heisst vergorene Milch und verweist sprachlich auf die Türkei. Ursprünglich stammen die Bakterienkulturen aus den Mägen der milchgebenden Tiere. Oft wurden diese gereinigt und gegerbt als Behältnisse für den Transport und die Aufbewahrung von Milch verwendet. Die noch vorhandenen Milchsäurebakterien verwandelten Milch in Joghurt und das Rezept war entstanden. Die Verlängerung der Haltbarkeit von  Milch und der gute Geschmack machten aus Joghurt ein wichtiges Nahrungsmittel was sich auch in der Vielfalt von traditionellen Rezepten aus vielen Kulturen zeigt. In der Türkei und in Griechenland wird Joghurt dicker gemacht indem man es in einem Tuch abtropfen lässt.