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Bericht aus der Küche: Upside – down fruit cake


Küchenbericht von Susanne Vögeli

Sauer und zusammenziehend ist der Rhabarber. Wir erwarten es so und stemmen uns doch in allen Rezepten mit viel Zucker dagegen. Die rotgrünen Stängel aus dem Garten meiner Eltern wurden in Zucker eingetaucht und wir Kinder verwandelten so die erste Ernte im Gartenjahr in sauersüsse Schleckstängel. Ich lernte dabei den Reiz der Kombination von sauer und süss kennen.

Dieses Aromenspiel ist auch im Rezept des Rhabarberkuchens im Zentrum. Im überlieferten Backrezept aus den 70er Jahren wollte ich das Verhältnis Zucker zu Rhabarbersäure neu austarieren.

 

Für den Karamellbelag wird der Zucker in einem schwarzen, emaillierten Wähenblech im Backofen gebräunt. Karamellisieren ist ein kontrollierter Verbrennungsprozess,  welcher der  Süsse des Zuckers herbe Röstaromen zufügt.

Bei diesem Vorgang bewegen sich die Temperaturen zwischen 140 °C –  160°C. Während vielfälltige Reaktionen ablaufen verliert die Mischung an Süsse, da immer mehr des ursprünglichen Zuckers zerstört wird. Die Masse bekommt einen immer stärker säuerlichen, bitteren Geschmack. Der Karamellgeschmack wird von verschiedenen Aromen bestimmt, darunter Noten von Butter, Frucht und Rum. Dazu kommen die Röstaromen von der beginnenden Verbrennung des Zuckers.

Aus Respekt vor diesen hohen Temperaturen geriet in meiner Laborküche das heisse Blech mit dem  Karamell ins schwanken. Flüssiger Karamell tropfte auf den Küchenboden, und durch das kleine  Malheur reduzierte sich der Zuckergehalt des Cakes auf spontane Weise und der Kuchen schmeckte mir besser als das Original. Das Rezept kam ein zweites Mal auf Abwege, als ich versunken ins Lesen die Zeit und somit auch den Kuchen im Ofen vergass. Der Rhabarberkuchen hatte nach 50 Minuten Backzeit einen  krustigen Biscuitbelag bekommen und an Qualität gewonnen. Die Backzeit habe ich nach dieser Erfahrung im Rezept angepasst. Ich erinnerte mich an die  Legende der Tarte Tatin, welche erzählt dass das Rezept durch eine Katze welche die Köchin mit dem Apfelkuchen in den Händen so erschreckte dass er umgekehrt auf dem Boden landete und sie das Gebäck deshalb auch umgekehrt fertig gebacken hatte. Die Katze, das Missgeschick und die Innovation der Köchin haben den Dessertklassiker rezeptiert.

Die Zeit, die der Zucker im Backofen zum Karamellisieren braucht reicht aus, um die Rhabarberstängel in kleine Stücke zu schneiden und um den Teig zuzubereiten. Ich schäle die Stängel nicht, denn die rot-grüne Farbe der Haut gefällt mir gut. Zäh ist diese Schicht nicht mehr, da der Rhabarber heute jung geerntet wird.

Für den Teig werden Butter und Zucker cremig gerührt, dann Ei und Buttermilch beigegeben. Buttermilch ist für mich eine kleine Entdeckung. Sie bringt frische Milchsäure ins Gebäck und ist viel leichter als Rahm oder Milch. Ich lasse den Butteranteil im Teig, denn dieser mildert die angriffige Oxalsäure im Rhabarber. Das Mehl vermische ich mit der kleinen Menge Backpulver und rühre alles zusammen mit einer Kelle nur kurz zu einer homogenen Teigmasse. Längeres Rühren aktiviert den Kleber im Mehl und macht das Biscuit zäh.

Upside down soll sich der Kuchen auf dem Teller präsentieren. Dazu muss das Gebäck mit weichem, jedoch nicht mehr flüssigem Karamellbelag auf eine Platte gestürzt werden.  Der noch warme Kuchen löst sich gut aus der Backform. Wird der Kuchen ausgekühlt, verklebt der Karamell mit Gebäck und Form und kann nicht gestürzt werden. Da dieser Vorgang umkehr bar ist kann ein verklebter Kuchen nochmals in den Ofen geschoben werden bis sich der Karamellbelag wieder verflüssigt.
Mit diesem Wissen ausgerüstet wird der Umsturz  auf der Tortenplatte sicher gelingen.