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Paula: Was kommt Dir in den Sinn, wenn ich „Ochsenschwanz“ sage?

Julie: Da denke ich an das kräftige Fleisch am Knochen, daran, wie Frau Klaus jeweils die Ochsenschwanzstücke ganz dunkel angebraten hat, zusammen mit einer Zwiebelhälfte, die fast schwarz wurde dabei. Frau Klaus war die Mutter eines Freundes von mir.

Paula: Haben Du oder Kaspar auch Ochsenschwanzsuppe gekocht? In meiner Erinnerung sehe ich nur das „Oxtail“-Beutelchen vor mir… und schmecke auch den Geschmack noch genau auf der Zunge!

Julie: Meistens war es so, dass Kaspar das Fleisch mit nach Hause gebracht hat, und er oder ich machten dann die Suppe draus, nach Frau Klaus’ Vorbild. Wir haben sie lange, lange gekocht, so dass das Fleisch von den Knochen fiel. Zuerst assen wir die Suppe, dann das Fleisch, Kaspar sagte immer, der „Gäder“ sei besonders gut und v.a. toll für Knochen und Knorpel…

 

 

Paula: Und diese Beutelsuppe gab es aber auch, oder?

Julie: Ja, die hatten wir auch, es gab ja bei uns zu Deinem Leidwesen ja IMMER Suppe voraus – da konnte man nicht jeden Tag eine „richtige“ Suppe kochen.

Paula: Was für Fleisch gab es bei euch daheim, als Du Kind warst?

Julie: Wir waren ja 12 Kinder, da gab es selten Fleisch, und wenn es gab, dann nur wenig: 1 x pro Woche, und zwar Hackfleisch, „Grick“ oder „Söichäs“, am Sonntag manchmal ein Küngel, den mein Vater geschlachtet hatte. „Grick“, das waren Innereien wie Nieren, Lebern, Lungen („Niere Läbere Lunge –Arschloch Püppi Zunge!“), die wurden in grobe Stücke geschnitten und gekocht, und mit geröstetem Mehl wurde die Sauce dann eingedickt und mit Essig abgeschmeckt. Und immer kam noch eine Handvoll frische Kräuter dran. „Söichäs“ war Gnagi (gepökelte Schnörrli, Wädli, Schwänzli vom Schwein), welches meine Mutter in Stücke schnitt und mit Gemüse zusammen lange kochte. Dann füllte sie es in eine Schüssel, liess es gelieren und von diesem „Kuchen“ schnitten wir uns Scheiben ab.

Paula: Wann hast Du die „edleren“Fleischstücke entdeckt?

Julie: Diese entdeckte ich bei Frau Klaus, sie machte z.B. einen Hohrückenbraten. Und dann mit 20, als ich nach Paris ging, da assen wir viele Schweineschnitzel, das fand ich sehr fein.

Paula: Was magst Du heute lieber? Schmorfleisch oder edlere Stücke?

Julie: Ich habe lieber geschmortes Fleisch wie Gulasch, Daube oder Saftplätzli. Ich finde, es hat einfach mehr Geschmack als so ein simples Stück Fleisch. Ich denke, es ist auch viel bekömmlicher. Ganz selten habe ich Lust auf „edles“ Fleisch, dann kaufe ich ein wenig Rindsfilet und mache mir ein Tatar, oder ich brate mir ein Lammkottelett oder ein bisschen Kalbsleber.

Paula: Bei uns wird heute von einem geschlachteten Tier nur ein Bruchteil seines Fleisches gegessen – der Rest wird zu Tierfutter verarbeitet oder exportiert. Was meinst Du dazu?

Julie: Ich glaube die Leute denken teuer = gut. Da bin ich halt anderer Meinung. Und es ist sicher nicht gut, wenn wir so verschwenderisch mit Fleisch – überhaupt mit allem! – umgehen.

Paula: Liebe Mama, ich danke Dir für das Gespräch!