92  Ochsenschwanzsuppe

In meinem digitalen Archiv ist ein Rezeptordner mit «Ochs und Teufel» beschriftet. Ich kann mich nicht erinnern, was ich unter diesem Namen hier abgelegt habe. Aber auf der Suche nach Rezepten mit Ochsenschwanz öffne ich auch diesen Ordner. Ein blumengeschmückter Porzellanteller blickt mir entgegen. Und sofort wird mir alles klar. Der altmodische Teller versetzt mich in die kleine Küche, in die ich vor einigen Jahren zu «Ochs und Teufel» eingeladen war. Ein Kochfreund hat diese Speise mit dem geheimnisvollen Namen für mich zubereitet.

Auf dem Bild sind kleine Fleischstücke zu sehen, die so schwarz sind wie der Teufel. Stundenlanges Schmoren lässt den Geschmack des Fleisches immer tiefer und opulenter, die Farbe zunehmend dunkler werden. So ist aus dem Ochsenschwanz eine Speise entstanden, die aussah und auch schmeckte, als wäre sie in der Hölle gekocht worden.

Ich war an jenem Abend froh, dass ich nur eine kleine Portion vor mir auf dem Teller hatte. Das ungewohnte Essen stimmte mich skeptisch, und so stocherte ich zuerst mit der Gabel im Ochs, als ob ich den Teufel darin suchen würde. Ich erinnere mich jetzt, wie gut mir das schwarze Schmorfleisch dann aber schmeckte sodass ich es nicht bei der einen Portion bewenden liess.

Mein Appetit wird von diesen Erinnerungen angeregt, und ich beschliesse, mich der klassischen Ochsenschwanzsuppe aus dem «Fülscher» zuzuwenden. Denn am Abend wird eine volle Suppenschüssel davon auf den Tisch kommen. Die Kochzeit der Ochsenschwanzstücke wird gute vier Stunden dauern. Erst dann werden das Bindegewebe und der gelatinereiche Knorpel die kleinen Fleischstücke aus ihren Fängen lassen. Vorher wäre es unmöglich, das Fleisch aus den Vertiefungen der Knorpel herauszulösen. Aber aufgepasst, wenn die gekochten Stücke auskalten, dann verkleben die Knorpel das Fleisch von Neuem. Die kleinen, erkalteten Fleischstücke müssen dann mit erheblich grösserem Aufwand zurückerobert werden. Susanne Vögeli

Zutaten für vier Personen

1 KiloOchsenschwanz, in Scheiben, ergibt ca. 350g Fleisch
1 TLBratbutter
3/4 TLSalz
1 Zwiebel, besteckt mit Lorbeer und Nelke
1/2Lauchstängel, halbiert, in Stücke geschnitten
1Karotte, in Stücke geschnitten
1Schnitz vom Sellerieknollen
1 lWasser
200mlRotwein
4ELSherry o. Madeira
Salz und Pfeffer zum Abschmecken
2 ELMehl, dunkel geröstet

Anleitung

1
Das Fleisch in einem Bräter in Bratbutter während 30 Minuten bei mittlerer Hitze anbraten, bis die Ochsenschwanzstücke goldbraun sind. Salz, Zwiebel, Lauch, Karotte und Sellerie beigeben. Wasser und Wein dazugiessen, bis alles knapp bedeckt ist.

2
Im auf 160° C vorgeheizten Ofen während rund 4 Stunden zugedeckt schmoren oder auf dem Herd leicht köcheln lassen. Die Flüssigkeit soll nur leicht kochen, die Ofentemperatur eventuell auf 140°C reduzieren. Die Garzeit ist beendet, wenn das Fleisch vom Knochen fällt, das kann je nach Tier auch etwas länger dauern. Die Ochsenschwanzstücke aus der Flüssigkeit heben und etwas abkühlen lassen. Das Fleisch von Knochen und Knorpel lösen, zugedeckt beiseite legen.

3
Die Flüssigkeit entfetten, absieben und etwas einreduzieren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken und mit dem gerösteten Mehl leicht binden. 10 Minuten kochen lassen. Fleischstücke dazu mischen.

Tipp: Reduziert man die Flüssigkeit, dann kann das Gericht als Ragout serviert werden. Dazu passen Knöpfli oder Polenta.
Die Flüssigkeit im Schmortopf ist reich an Gelatine, beim Abkühlen erstarrt sie zu einem schnittfesten Gelee. Für eine würzige Sülze füge ich der Flüssigkeit kleingeschnittene Stücke Ochsenschwanz und fein gehackte Kräuter bei.

WISSENSWERT
Mit zwanzig verschiedenen Zutaten wird in der Päcklisuppe «Oxtail-Suppe» versucht, die Würze dieser reichhaltigen Fleischsuppe nachzubauen. Halte ich mich hingegen an das Originalrezept, dann schmort ein Kilogramm Ochsenschwanz während gut vier Stunden im Bräter. In dieser Zeit bilden sich die echten Aromen der Suppe. Sie sind die Basis, aus der sich dann der unvergleichlich gute Geschmack des Gerichts entwickeln kann.

 

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